Hugentobler, Manuela

Graduate School

Geschlechter und ihre Rollen. Handlungsrepertoires in Ehe- und Söldnerpolitiken im gegenreformatorischen Luzern

Projektleitung

Sahra Lobina (Universität Luzern)

Abstract

Als ‚Kriegerstadt frommer Frauen‘ wurde Luzern im 16. Jahrhundert beschrieben. Wie passen fromme Frauen und kriegerische Männer zusammen? Der mutige Söldner als Exportprodukt und seine treue Ehefrau an der Heimatfront sind in der Propaganda ein tolles Gespann. Auf der Kehrseite tauchen Invaliden, Witwen, Waisen und Eheprobleme auf, die Betroffene und Obrigkeit ausgiebig beschäftigen. Welche Zusammenhänge zwischen Ehe- und Kriegsdienstpolitiken sind erkennbar? Welche Geschlechterrollen entstanden in ihrem Spannungsfeld; wer propagierte welches Ideal, wer adaptierte oder persiflierte es?

Kriegsgeschichten beleuchten selten Geschlecht als Kategorie. Umgekehrt ist Krieg als Thema der Geschlechtergeschichte aufgrund der damit verknüpften politischen Fragen sehr prominent. Das gilt nicht nur für zeitgenössische Konflikte, sondern lässt sich auch am vormodernen Untersuchungsbeispiel herausarbeiten. Im gegenreformatorischen Luzern waren Geschlechterbeziehungen ein brisantes Thema. Einerseits waren sie im Rahmen konfessioneller Auseinandersetzungen mit konkreten politisch-ideologischen Zielen verknüpft. Eine Historisierung der Ehe im Rahmen konfessioneller Politiken zeigt, dass die Ehe als Norm nicht vom Himmel fiel, sondern bewusst gestaltet wurde: Genau wie die fremden Dienste war sie ein Politikum. Gleichzeitig veränderte der Solddienst die Demographie maßgeblich. Strategien zur Bewältigung eines Krieges (und seinen Folgen) haben wirtschaftliche, soziale und kulturelle Dimensionen die für Geschlechterrollen zentral sind: Was tut sie, wenn er geht? Was passiert, wenn er lange wegbleibt und nicht - oder versehrt - zurückkehrt?

In diesem Dissertationsprojekt liefert der titelgebende Begriff der Geschlechterrolle nebst dem Untersuchungsgegenstand auch einen methodischen Ansatz und einen Teil der materiellen Basis. Das Konzept der Performativität ermöglicht es, Geschlechterrollen in normativen, deskriptiven und nichtschriftlichen Quellen zu analysieren: Serielle Unterlagen der Armenkommission, ausführliche Kundschaften und Verhörprotokollen in Bigamieprozessen sowie Quellen zu Theater und szenischem Geschehen ergänzen sich gegenseitig und erlauben verschiedene Perspektiven.

Die reichen und für Genderperspektiven ergiebigen und gut etablierten Forschungsergebnisse zur Konfessionalisierung und Reformationsgeschichte, Gewaltforschung und Theatergeschichte werden am Beispiel Luzerns zusammengeführt und im Querschnitt nach konkreten Zusammenhängen ‘vor Ort’ gefragt.

Supervision

Prof. Dr. Valentin Groebner (Universität Luzern) und Prof. Dr. Patricia Purtschert (Universität Bern)

Disziplin

Geschichte