Graduate School

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«Frauen erhebt euch!» Eine frauen- und geschlechterhistorische Perspektive auf Protest und Streik während des Ersten Weltkriegs

Projektleitung

Katharina, Hermann, M.A.

Disziplin

Geschichte

Projekttitel

«Frauen erhebt euch!» Eine frauen- und geschlechterhistorische Perspektive auf Protest und Streik während des Ersten Weltkriegs

Abstract

Der Erste Weltkrieg hatte starke Auswirkungen auf das Leben in der Schweiz, auch wenn die Schweiz nicht zu den kriegführenden Nationen gehörte. Während der Kriegszeit wurden viele Frauen politisiert, gerade Proteste gegen die Teuerung, Lebensmittelknappheit und für den Frieden brachten den sozialdemokratischen Frauengruppen und Gewerkschaften neue (weibliche) Mitglieder. Frauen organisierten während der Kriegsjahre verschiedene Proteste: Bereits im März 1915 fand die erste internationale sozialistische Frauenkonferenz für den Frieden statt, bei der sich Sozialistinnen aus neutralen und kriegführenden Ländern trafen und ein Friedensmanifest erstellten. Aufgrund der schlechten Nahrungsmittelversorgung kam es in der Schweiz (wie auch in anderen Ländern) ab 1916 zu Marktprotesten von unorganisierten und sozialdemokratischen Frauen. Die von Rosa Bloch an­geführte Frauendemonstration, die im Juni 1918 Einlass in den Zürcher Kantonsrat forderte, um ihre Anliegen vorbringen zu können, sorgte für grosses Aufsehen.

Auch auf bürgerlicher Seite engagierte sich die internationale Frauenbewegung sehr früh für den Frieden, wobei die Schweizerinnen sich erst allmählich dafür einsetzten. Das Engagement bürgerlicher Frauen in der Schweiz war vielfach eng mit der Unterstützung der Truppen ver­bunden: durch den Betrieb von Soldatenstuben und Kriegswäschereien, die nationale Frauenspende, aber auch die humanitäre Hilfe für internierte ausländische Soldaten. Trotz dem tiefen Graben zwischen den SozialdemokratInnen und den Bürgerlichen, gab es auch verschiedene Arten der Zusammenarbeit, so z. B. Verbindungen zwischen den bürgerlichen und sozialdemokratischen Frauenorganisationen: die religiös-sozialistische Clara Ragaz engagierte sich sowohl für die bürgerliche Friedensbewegung wie auch in der Sozialdemokratie; die Ärztin Dr. Betty Farbstein-Oestersetzer schrieb in den bürgerlichen Frauenbestrebungen und hielt Vorträge für die Arbeiterinnenvereine. Ein zentrales Anliegen sozialdemokratischer, wie auch (gewisser) bürgerlicher Frauenorganisationen war das Stimmrecht. Dass die zweite der neun Streikforderungen im Landesstreik das aktive und passive Frauenwahlrecht verlangte, brachte viele bürgerliche Stimmrechtlerinnen in eine Zwickmühle: Sie lehnten den Streik ab, arbeiteten aber seit Jahren auf diese Forderung hin.

In meinem Dissertationsprojekt untersuche ich Proteste und Streiks in der Schweiz während des Ersten Weltkriegs mit spezifischem Fokus auf den Landesstreik von 1918 aus einer frauen- und geschlechterhistorischen Perspektive. Neben Geschlecht und Klasse stellen auch Staatsbürgerschaft und Alter zentrale Untersuchungskategorien dar. Die von mir untersuchten Ereignisse, wie auch die Bewegungen und Akteur*innen sind in ein internationales Setting eingebettet. Ich untersuche einen Gegenstand der Schweizer Geschichte unter Einbezug der transnationalen Verflechtungen. Im Gegensatz zur internationalen Forschung gibt es relativ wenig frauen- und geschlechtergeschichtliche Arbeiten zur Schweiz in der Zeit des Ersten Weltkriegs. Insbesondere in Bezug auf den Landesstreik vom November 1918, der bis heute als schwerste Krise des Bundesstaates gilt, fehlen ausführliche frauen- und geschlechtergeschichtliche Untersuchungen.

Die Dissertation wird von verschiedenen Fragen geleitet:

  • Wo und wie waren Frauen aktiv und welche Rolle spielte Geschlecht bei Protesten während des Ersten Weltkriegs und (insbesondere) im Landesstreik von 1918?
  • Wer wurde als Streiksubjekt wahrgenommen?
  • Wie wurden gewisse Proteste entpolitisiert?
  • Wie verändert eine frauen und geschlechterhistorische Analyse die Vorstellung von Streiks resp. Protesten?
  • In welchem Verhältnis stehen Militanz und Geschlecht?

Supervision

Prof. Dr. Brigitte Studer (Universität Bern) und Prof. Dr. Caroline Arni (Universität Basel)